Kapitel 2b – Kygnelos von Podragon
vom 24. November 2002 um 16:01 von Markus Slobodeaniuk
Kygnelos von Podragon kauerte sich im Ausguck zusammen. Die Sonne war gerade aufgegangen und im strahlenden Licht des neuen Tages sah man den Regen auf das Schiff hernieder prasseln. Die See war unruhig, das Schiff schaukelte stark und Kygnelos war schlecht. Glücklicherweise enthielt sein Magen nichts mehr, eher war er hungrig und gleichzeitig verging ihm jeder Appetit bei diesem Geschaukel.
Das Schiff trieb auf den Wellen dahin. Geh nicht in die Stadt, hatte sein Vater gesagt, hüte Dich vor diesen Wesen, hatte seine Mutter ihm stets zugeredet. Hatte er auf sie gehört, nein, das Leben auf der Burg war so langweilig gewesen. Und eines Tages hatte Kygnelos es nicht mehr ausgehalten. Er war an den Wachen vorbeigeschlichen und hatte sich auf den Weg in die Stadt gemacht. Dort sollten seltsame Wesen hausen, Riesen und Tiere, die einen mit einem Mal verschlingen konnten. Märchen, hatte Kygnelos nur gesagt. Schöne Märchen, die Bewohner waren wirklich mehr als zehn Mal so groß wie er und einige Tiere hatte deutliches Interesse an ihm gezeigt – nicht aus Freundschaft, vielmehr als Erweiterung des Speiseplans.
Er war ihnen entkommen, war auf die Häuser geklettert und hatte sich mit seinem Schwanz über Bäume weitergehangelt. Seine kleinen Hände hatten Blätter gerupft und Kygnelos dachte voller Genuss an deren Geschmack. Dann hatte er einen kleinen Fehler gemacht. Er war in einer Kiste eingeschlafen und als er wieder aufwachte, war es dunkel. Jemand hatte die Kiste unter einem Stapel anderer Kisten verstaut. Kygnelos von Podragon hatte zum ersten Mal das Schaukeln gespürt. Der Boden bewegte sich und so kauerte er sich in seiner Kiste zusammen.
Hätte er sich doch entschlossen, nach Hause in die Burg zurückzukehren. Doch nein, er hatte ja nur eine Nachricht geschrieben und diese dem Fluss anvertraut, der an der Burg vorbeifloss. Kygnelos musste ja unbedingt den Helden spielen. Er dachte an seine Freunde, die nun sicher in der Burg saßen. Vielleicht hatte gar keiner bemerkt, dass er weg war. Doch, man würde es bemerkt haben, natürlich, er war Kygnelos von Podragon, ein wichtiger Vertreter am Hofe. Einen Hof, an dem er noch nie gewesen war, außer in den Stallungen, in denen sein Vater arbeitete.
Schließlich hatte sich Kygnelos aus der Kiste befreit, er hatte einige der Bretter zerbrochen, indem er mit voller Wucht dagegen gelaufen war. Es hatte doch Vorteile so klein zu sein – auch wenn man als größeres Wesen wohl kaum in solch einer Kiste eingeschlafen wäre. Das Schaukeln war noch immer da, doch Kygnelos ignorierte es und machte sich auf die Suche nach Essen.
Er kletterte auf dem Stapel aus Kisten umher und schließlich fand er eine Box mit frischen Früchten. Er nahm eine davon in seine Händchen und begann sie von allen Seiten abzunagen. Der Kern warf er achtlos weg und nahm die nächste Frucht. Auch diesen Kern warf er weg, griff zur nächsten Frucht, während der Kern der vorherigen auf einer kleinen Kiste landete und diese aus dem Gleichgewicht brachte. Die Kiste polterte durch die Gegend und blieb dann zusammen mit dem Kern liegen.
Eine Luke öffnete sich über ihm, grelles Tageslicht fiel in den halbdunklen Raum, als ein Gesicht durch die Luke zu Kygnelos runtersah. Das Gesicht begann etwas zu brüllen und Kygnelos ergriff eine weitere Frucht und kletterte davon.
Stundenlang hatten sie ihn auf dem Schiff hin- und hergejagt. Dann war es endlich Nacht geworden und Kygnelos hatte sich hier im oben im Ausguck verstecken können. Nun brach ein neuer Tag an, unten auf dem Schiff waren die großen Wesen zur Zeit beschäftigt, sie suchten nicht nach ihm. Kygnelos von Podragon kauerte sich im Ausguck zusammen, erst einmal musste das Schaukeln nachlassen, bevor er da wieder runterkletterte.
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