Schemen im Zwielicht des Sommers – Teil 1
vom 15. August 2008 um 08:55 von Markus Slobodeaniuk
Wenn man auf ein langes Leben zurückblickt, ist es erstaunlich, wie kurz die Zeiten sind, die es völlig verändern.
„Die Saison ist vorbei“, meinte Martin und seine Stimme schwang voller Melancholie durch die Nachmittagssonne. Es war das letzte Wochenende im August und die Sonne schien noch warm in den späten Nachmittagsstunden auf seinen nackten Körper wie er auf dem kleinen Grasstück vor mir lag. Dennoch sorgte der leichte Wind auch hier zwischen den zahlreichen Büschen und kleinen Waldstücken am Rande der großen Ackerfläche für ein Gefühl von Kühle und herannahendem Winter.
Ich schaute zu ihm rüber, ließ meinen Blick über ihn wandern und betrachtete die dicke Cremeschicht gegen die allergische Reaktion gegen Latex, darunter schimmerte feuriges Rot durch und ergab auf dem Gras und im Licht des Spätsommers ein faszinierendes Bild von Leben. ‚Er wußte, dass dies geschehen würde‘, schoß es mir durch den Kopf, ‚und dennoch hat die Momente genauso gewollt und genossen wie Du eben‘. Es war schwer vorstellbar für mich – würde ich genauso handeln und für die paar Minuten Spaß dies auf mich nehmen oder eher genau wie ich es ohnehin aus vielen anderen Gründen tat, einfach lieber den passiven Part leben? Ich wußte es nicht.
Vor ein paar Minuten waren wir uns auf einem der Pfade durch das kleine Waldstück begegnet. Ich war ein paar Schritte auf den Waldwegen gegangen, hatte hier und dorthin geschaut, was sich an Männern durch die Baumreihen bewegte und war dann abwartend auf einer kleinen Lichtung stehengeblieben. Martin tauchte ganz plötzlich am Wegesrand auf, bekleidet nur mit ein paar Schuhen und weiten, längeren Shorts, glänzte sein freier Oberkörper weißbräunlich im Halbdunkel des Waldes hervor. Unsere Blicke begegneten sich, ein kurzes Mustern, das Aufblitzen von Interesse auf der Gegenseite. Ich drehte mich vom Weg weg, halb um meine Rückseite zur Schau zu stellen, halb um zu zeigen, dass ich nicht bei jedem sofort springen würde, der hier auftauchte und gut aussah.
Martin blieb hinter mir stehen. Ich drehte den Kopf, lächelte und er lächelte zurück. Noch während ich zurückrotierte, fand seine Hand den Weg und die andere streichelte behutsam meine Schulter. Ich umarmte ihn, ließ meine Lippen auf seinen Schultern spielen und küsste ihn schließlich sanft – passend zu der Art wie seine Hände an mir arbeiteten. Sein Körper wirkte irgendwie zerbrechlich, auch wenn ich unter der Haut die harten Muskeln fühlen konnte, eine faszinierende Kreation Sanftheit und klarem Ausdruck seines Wollens lag um ihn und ich vergaß die Welt um mich herum. Ein Streicheln, ein kurzer Kuss, dann ging ich auf dem Waldweg fort von ihm, innerlich noch zitternd von der Erregung und zufrieden. Ich grinste den einen oder anderen Mann an, an dem ich vorbeikam, und wanderte zurück in das Gewirr von Büschen, kleinen Bäumen und versteckten Grasflächen hier am Rande des Sees.
Irgendwelche Worte hatten wir gewechselt und ich schreckte aus den Erinnerungen hoch während Martin vor mir im Gras lag und ich neben ihm in der Hocke kniete. Mir war erst auf dem Weg zwischen den Büschen klar geworden, dass ich mich gar nicht richtig für diese schönen Momente bedankt hatte, und so war ich auf die Suche gegangen und hatte ihn hier am Rande des Gebiets in direkter Grenze zu den großen Ackerflächen gefunden. Wir hatten über seine allergische Reaktion gesprochen, ein paar Worte gewechselt und er hatte deutlich gemacht, dass er die Minuten mit mir genossen hatte, doch jetzt gern wieder in sein Leben allein zurückwolle. So lächelte ich ihm noch einmal zu, richtete mich auf und ging – zurückblickend auf den schlanken Körper im Gras, eingetaucht in das orange Licht des Sommernachmittags.
Ich verschwand um die Ecke und ging den Weg zwischen den Büschen zurück zu meinem Rucksack. Die Wärme auf meiner Haut ließ mich zweifeln, ob die Saison wirklich schon vorbei war. Klar waren die heißen Tage ab der kommenden Woche im September nicht mehr zu erwarten, doch sicherlich würde es noch einige warme Wochenenden geben, wo man hier gemütlich durch die Gegend schlendern konnte. Mit dem Gedanken daran, ob mein Lover in der letzten Stunde wirklich Martin hieß – so wie ich ihn innerlich genannt hatte – verschwand das Gefühl seiner Haut von mir und ich ließ mich auf mein Handtuch fallen, um noch ein paar Strahlen der Nachmittagssonne zu genießen.
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